Dienstag, 25. Juni 2013

Straßenverkehr

Muster-Kreuzung in Boston: Ampel auf rot, diagonale Überquerungsmöglichkeit für Fußgänger und typischer Mittelklassewagen - der bordeauxrote, nicht der silberne!
Da mich das jeden morgen auf dem Weg zur, und jeden Abend auf dem Weg von der Arbeit betrifft, ein paar Worte zum städtischen Straßenverkehr.

Ich bin ja - vorbildlich - mit Helm unterwegs, und das ist auch gut so. Der gemeine Bostoner Autofahrer nimmt auf Radler nämlich so gut wie keine Rücksicht. Ständig muss man sich öffnenden Autotüren ausweichen, Fahrradspuren (wenn es denn welche gibt) wegen dort haltender Autos verlassen, höllisch aufpassen bei rechts-vor-links, abrupt bremsen, weil man geschnitten wird usw.
Wenn man sich an der Ampel zwischen Auto und Bordsteinkante vor zur Haltelinie zwängen kann, dann ist das schon viel. Aufpassen, wenn das Auto dann aber rechts abbiegen möchte und nicht geblinkt hat! Haltelinie, auch so eine Sache. Die gibt es. Aber der gemeine Bostoner Verkehrsteilnehmer hält eigentlich auf dem Streifen der Fußgängerampel, am besten so, dass man als Fußgänger um das Auto herum laufen muss. Das hat natürlich den Vorteil, dass man beim nächsten Grün vielleicht noch vor dem Gegenverkehr links abbiegen kann. Grün, gibt es auch. Aber keine grüne Welle. Man steht - so kommt es einem vor - an jeder Ampel, was gerade in geschäftsreichen Straßen und dem Uni- und Klinikviertel häufig vorkommt. An manchen Fußgängerampeln (siehe Bild) ist es erlaubt, die Kreuzung auch diagonal zu überqueren. Da es keine grüne Welle gibt, geht sowas; der Autoverkehr steht dann eben in alle Richtungen.

Das normale amerikansiche Auto ist groß. So groß wie möglich. Ich würde sagen, die durchschnittliche Größe entspricht den größten Geländewagen (SUVs) die man in Deutschland auf der Straße findet, also so ungefähr Audi Q7, VW Tuareg, BMW X5. Es gibt viele normale Limusinen, wenig Kombis (viel zu praktisch) und keine Kleinwagen (viel zu spritsparend und viel, viel, viel zu klein). Wer was auf sich hält fährt einen großen Geländewagen oder Pick-up - Allrad ist ein "must have" in der Großstadt! Je größer die Ladefläche, je größer der Motorraum desto besser. Ein anständiges amerikanisches Auto ragt mindestens seitlich über den Parkstreifen am Straßenrand hinaus (was es für Fahrradfahrer nicht einfacher macht) - und am besten in der Länge auch noch. Naja, wenn der Liter Benzin auch nur 80ct kostet, macht man sich auch keine Gedanken über sowas wie Hybrid, Elektroautos und Start-Stop-Automatik.

Am Anfang war ich mit dem Bus und mit der U-Bahn unterwegs. Den Deutschen mag stören, dass es an den meisten Bushaltestellen keinen Fahrplan gibt, und mitunter auch nicht die Linie dran steht, welche diese Haltestelle bedient. Aber dass ich das Bussystem absolut undurchsichtig fand, das ging mir schon in London und Paris so. Von Peking ganz zu schweigen. Google Maps ist dein bester Freund! Standort und Ziel eingeben, und es spukt die beste Bus/U-Bahn-Verbindung für deine Route aus. Das funktioniert sehr zuverlässig und man kann sich so quasi einen Fahrplan ausgeben lassen. Bus fahren ist recht günstig. Knapp 1,20 € für eine einfache Strecke (Marcos Wohnung - Labor ging direkt), gut 1,50 € mit Umsteigen, und 1,90 € wenn man dabei die U-Bahn benutzt. Auf dem Heimweg zu Marco habe ich immer den Harvard-Shuttle genommen (verbindet den Naturwissenschaften- und Klinikkomplex mit dem alten Harvard-Campus), der war kostenlos, aber man musste noch gut 15 min laufen (wozu ich früh keine Lust hatte). Sowohl Busse als auch U-Bahnen (hier "T-Lines") sind im Vergleich zu deutschen Bussen und Bahnen deutlich älter und heruntergekommener. Von außen und von Innen. Sitzpolster meist Fehlanzeige, ganz zu schweige von diesen Infotainment-TVs, die es immer mehr gibt. Und auch die S-Bahnen hinken dem 21. Jahrhundet noch hinterher... bei Beinfreiheit, Attraktivität, Komfort. Der Bostoner Pendler sieht diese Transportmittel halt wirklich nur als Transportmittel, und verzichtet da anscheinend auf möglichen Komfort. Vielleicht fehlt den Verkehrsunternehmen aber auch nur das Geld für große Investitionen. Der Bedarf wäre da.

Wenn man allen Widrigkeiten trotzt, Regenjacke und -hose immer dabei hat, und stets einen Tick schneller reagiert als Autofahrer, dann ist man aber mit dem Rad hier wirklich am besten unterwegs. Eigentlich ist alles flach, ein paar vernachlässigbare Anstiege gibt es, aber sonst rollt es gut. Von der Haustür meines neuen Wohnorts bis zum Labor bin ich - je nach Ampelphasen - 10-15 min unterwegs. Das ist mit Bahn und Bus nicht zu toppen.

Liebe Grüße und bis bald,

Stefan

Sonntag, 16. Juni 2013

die erste Woche

Abflug von Stuttgart: 04.06.2013
mit der Boeing 747 ging es dann von London nach Boston

Blick über den Charles River auf downtown Boston



Novartis, Cambridge

Harvard Medical School

mein Gebäude ist versteckt auf der rechten Seite hinter den Bäumen

79 Allston Street, Cambridge: Marcos+Vinitas Wohnung im Erdgeschoss
Hallo zusammen,

nun bin ich schon anderthalb Wochen hier und will mal etwas von mir hören lassen.

Der Hinflug mit Zwischenstop in London verlief reibungslos und auch bei der Einreise in die USA gab es, entgegen vieler warnender Mails, keine Verzögerungen. Nach 12 h Flug und Bus/U-Bahn zu Marco war ich dann sehr froh über ne kühle Dusche.

Gestern bin ich ja in mein eigentliches Zimmer gezogen - die Tage davor hab ich bei einem Schul- und Studienfreund gewohnt, der hier seit einiger Zeit am MIT promoviert. Die Gegend dort (Cambridge, eigentlich ein eigenständiger Ort, aber mit fließendem Übergang nach Boston) war sehr nett eigentlich, relativ grün und einigermaßen ruhig gelegen.

Am Tag nach meiner Ankunft bin ich ein bisschen durch Boston/Cambridge gelaufen, am MIT vorbei und am Charles River entlang, hab ein Bankkonto eröffnet, mir eine SIM-Karte besorgt (+1 225 200 7105 für Notfälle) und nach einigem Probieren auch das mobile Internet zum Laufen bekommen.


Am Donnerstag (6.6.) bin ich dann zum ersten Mal ins Labor. Mit dem Bus ging es von der Wohnung in 20min zur Harvard Medical School. Mit meinem Betreuer hab ich grob einen Ablaufplan für das Projekt besprochen, eine kurze Führung durch´s Labor (dazu ein anderes Mal genauer) und ein bisschen Lektüre zum Projekt bekommen. Außerdem standen in den ersten Tagen ein paar organisatorische Dinge wie Online Sicherheitstraining, Mitarbeiterausweis usw. an.

In der vergangenen Woche ging es dann auch schon richtig im Labor los. Mittlerweile weiß ich bei den meisten Sachen, wo sie sind oder wo ich suchen muss, finde mich immer besser zurecht und kann den meisten Gesichtern auch die richtigen Namen zuordnen. Mein direkter Betreuer ist übrigens ein deutscher Postdoc, da gibt es zumindest keine Missverständnisse bei Detailfragen =D.

Die Abende bei Marco und Vinita (Marcos Freundin) waren sehr schön, mit Bier und Eishockey oder Basketball gucken (in beiden Sportarten finden gerade die Finals statt und die Boston Bruins haben im Eishockey gute Chancen auf die Meisterschaft). Letzten Samstag haben wir gegrillt, stilecht mit Cheersburgern und dünnem Ami-Bier. Mit dabei waren auch Jörg, den wir ebenfalls vom Biochemiestudium kennen, und David, ein Schwede, der in Tübingen im selben Labor gearbeitet hat wie Marco und ich. Beide sind jetzt Postdocs: Jörg in Worchester, eine Stadt ca 1h westlich von Boston entfernt, und David beim Novartis-Ableger hier in Cambridge.

Über einen Bekannten von Marco und Vinita hab ich jetzt auch ein Fahrrad. Der ehem. Besitzer ist zurück nach Deutschland und hat sein vormals importiertes Fahrrad hier gelassen und mir für ein Schnäppchen überlassen. Mit ordentlichen Bremsen, Nabendynamo (sowas haben US-Fahrräder nicht, die haben nur so Ansteck-Licht), Bügelschloss und Helm. Helm ist hier in Boston quasi Pflicht. Einfach aufgrund des Fahrstils der Amerikaner. Und wenn ich im Dezember wiederkomme, kann ich das Rad einfach wieder verkaufen ;).

So... und alles zum Labor, zum neuen Zimmer und zu den ersten Eindrücken von den USA und den US-Amerikanern kommt später. Bis bald.

Liebe Grüße,

Stefan